Le Pen – Ein Nachruf
Wie kaum ein anderer prägte er die europäische Nachkriegs Rechte. Neben ihm wirkten die Gründer des Movimento Sociale Italiano (MSI) Giorgio Almirante, oder der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Adolf von Thadden, eher blass. Jean Marie Le Pen ist am 7 Januar hochbetagt im Alter von 97 Jahren heimgerufen worden. Er strahlte Charisma aus, war ein brillanter Redner, galt als gewiefter Taktiker, und war rhetorisch Beschlagen. Diese Eigenschaften nutzend wusste er seine Anhängerschaft zu begeistern. Die Massenkundgebungen des «Front» jeweils am 1. Mai, dem «Marsch für Jeanne d Arc» veranschaulichen diese Fähigkeiten auf Eindrucksvolle Weise.
Weder Private -Attentat im Sommer 1976, das er unverletzt überstand- noch Politische Verwerfungen vermochten den am 10. Juni 1928 in der Bretagne (La Trinite-sur Mer) geborenen Sohn eines Fischers und einer Bäuerin zu erschüttern. Die Bretonen gelten gemeinhin als zäh und prinzipientreu.
Diesem Typus entsprechend hielt Jean Marie Le Pen an seinen idealen Eisern fest. Seine Hemdsärmelige, zuweilen auch polemische Art steigerte diesen Nimbus eines polterers, eines Haudegens. Der Verlust eines Auges, zuerst noch mit einer Augenklappe kaschiert hat wohl ebenfalls zumindest äusserlich zu diesem Ruf beigetragen.
Nach dem Tod seines Vaters 1942 verliess der damals 14 jährige die Bretagne, um in Saint Germain en Laye sein Abitur abzuschliessen. In seiner Studienzeit der Rechts- und Politikwissenschaften von 1947 bis 1951 amtete er als Vorsitzender eines antikommunistischen Studentenbundes, und stand politisch der «Action Francaises», des Charles Maurras, einer Monarchistisch-Nationalistischen Bewegung nahe. Nach seiner Studienzeit meldete er sich 1953 als Freiwilliger zu den Fallschirmjägern im Indochinakrieg. Auch während der Suez- Krise stand er als Fallschirmjäger im Einsatz. Weit bekannter allerdings war sein Engagement in Algerien, das sich in den 1960er Jahren gegen seine Kolonialmacht Frankreich erhob. Le Pen erwarb sich in diesen Jahren den Ruf eines kompromisslosen Kämpfers für die Belange der Algerien Franzosen.
Ganz im Sinne der Rolle der «Grande Nation» als Kolonialmacht war Algerien für ihn ein unveräusserlicher Teil Frankreichs, Zitat: «Wer das französische Algerien ablehnt, wird das algerische Frankreich bekommen», womit er, sieht man sich die Banlieues französischer Vorstädte heute an, Recht behalten sollte.
Seine politische Laufbahn startete Le Pen in der Poujadistischen Partei -die sich vor allem den Interessen des Kleingewerbes verpflichtet sah- ihres gleichnamigen Gründers Pierre Poujade, den er aus dem Indochinakrieg kannte, womit er erstmals ins politische Rampenlicht trat. Mit 27 Jahren zog Jean Marie Le Pen für die Partei Poujades 1956 ins französische Parlament ein. Doch diese Poujadisten sollten eine Episode bleiben.Beruflich baut er sich eine eigene Firma, die SERP auf, über die er Schallplatten und Dokumentationen vertreibt. In jenen Jahren im Lebensmittelpunkt stand seine Familie. Im Jahre 1960 (1987 gesch.) heiratete er Pierette Lalanne, aus der Verbindung gingen die drei Töchter, Marie-Caroline (1960), Yann (1963), und «Marine» (Marion Perrine) (1968) hervor. Seine Enkelin Marion Marechal, Tochter von Yann, die sich inzwischen der Bewegung «Reconquiste» von Eric Zemmour angeschlossen hat, führt neben ihrer Tante, mit der sie sich politisch überworfen hat, die Politiker- Dynastie Le Pen weiter
Ein weiterer Meilenstein seiner politischen Karriere setzte er Anlässlich der Präsidentenwahlen 1965 mit der Gründung eines Initiativkomitees zur Unterstützung des nationalen Präsidentschaftskandidaten, dem Rechtsanwalt Tixier-Vignancour, der jedoch mit nur rund 5 Prozent an Wählerstimmen enttäuschte. Einem Aufruf des «Ordre Nouveau» -einer kleinen als «neofaschistisch» verschrieen Partei- zur Sammlung der bis dahin zersplitterten nationalen Kräfte folgend, gründete Jean Marie Le Pen 1972 mit Gefolgsleuten aus dem ON, darunter deren prägendsten Figur Francois Brigenau, den «Front National». Über Jahre lebte der FN ein Schattendasein, und blieb weitestgehend erfolglos (Parlamentswahlen 1973 5,2 Prozent) erst das Millionenerbe eines Industriellen ermöglichte dem «Front» die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 1974 wo er dem Liberalen Kandidaten Valerie Giscard d Estaing jedoch klar unterliegt. Eine für ihn auch persönlich herbe Niederlage. Erste durchschlagende Erfolge stellten sich erst in den 1980er Jahren ein.Über das Medium Fernsehen dass ihm ein Millionenpublikum bescherte erreichte Le Pens Front National an den Europawahlen 1984 11 Prozent und zog mit 10 Abgeordneten ins Brüsseler Parlament ein, der Erfolg setzte sich an den Parlamentswahlen 1986 mit einem Wähleranteil von 9 Prozent fort. Auf regionaler Ebene begann sich der FN bereits 1983 zu etablieren, stellte in der Stadt Dreux mit Jean Pierre Stirbois den Bürgermeister und entwickelte sich während der 80er und 90er Jahre zu einer festen Grösse in der französischen Parteienlandschaft. Anknüpfend an den Poujadismus der Anfangszeit verstand sich der «Front» als Partei der «kleinen Leute», national und antikommunistisch. Zeitlebens setzte sich Le Pen für ein französisches Frankreich ein und wandte sich strikt gegen die Einwanderung vor allem aus den ehemaligen Französischen Kolonien. Bezeichnend war auch seine Nähe zum Katholischen Integralismus des Traditionalistischen Erzbischofs Marcel Lefebvre. Anders als seine Tochter Marine, die sich später von diesem Kurs der Hinwendung alter französischer Werte zunehmend distanzierte, Stand der Front National im Kern für ein vorrevolutionäres Frankreich, was sich auch in seiner unkritischen Haltung zum «Etat francais» der «Republic Vichy» des Marschall Petain ausdrückte.
Aufgrund von Rückschlägen oft tot gesagt erhob sich der «Front» auch nach desaströsen Niederlagen immer wieder wie Phönix aus der Asche. Selbst den Austritt seines engen Mitstreiters Bruno Megret 1995, der mit der Gründung seines «Mouvement National Republican» (MNR) die Partei spaltete, überlebte der FN bravourös. Den grössten politischen Erfolg, die Krönung seines Lebenswerkes, erzielte Jean Marie Le Pen 2002 mit seinem Einzug in die Stichwahl um die französische Präsidentschaft in der er zwar gegen eine Allianz aus sämtlichen Politischen Parteien dem konservativen Kandidaten Jacques Chirac mit respektablen 18 Prozent unterlag, was jedoch auch gleichzeitig den Höhepunkt seiner politischen Karriere markierte.
Mit über 80 Jahren übergab Jean Marie Le Pen 2011 die Geschicke der Partei in die Hände seiner Tochter Marine, einer promovierten Juristin, welche den «Front» aus rein Wähler taktischen Gründen regelrecht demontierte. Kaum etwas blieb vom alten «Front» übrig, selbst das Flammensymbol wurde durch eine stilisierte Flamme ersetzt, das von ihrem Vater als Verrat an den Werten des Front National taxiert wurde. Den Schlusspunkt setzte seine Tochter mit dem Ausschluss ihres Vaters aus der Partei wegen antijüdischer Äusserungen . Diese «Entrümpelung» des FN, wie sie es nannte, unterstrich sie mit dessen Umbenennung in «Rassemblement National».
Mit Jean Marie Le Pen -der in den letzten Jahren zurückgezogen in seiner Villa im Pariser Vorort Saint Cloud lebte- verliert die authentische europäische Rechte ihre letzte grosse Führungsperson.